Wiesmann Urs

Ein Lebensraum im Spannungsfeld von Schutzgedanke und Nutzung. Sichtweisen lokaler und institutioneller Akteure im Biosphärenreservat Entlebuch.

Project Number: CH-2207
Project Type: Master
Project Duration: 01/01/2001 - 12/31/2002 project completed
Funding Source: other ,
Project Leader: Prof. Urs Wiesmann
Centre for Development and Environment (CDE)
Universität Bern
Mittelstrasse 43
3012 Bern
Phone: +41 (0) 31 631 88 69 ; +41 (0) 31 631 88 22
e-Mail: urs.wiesmann(at)cde.unibe.ch
http://www.cde.unibe.ch

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for which the project has a relevance.

Disciplines:
Legal and Social sciences, Economics
Sociology
Social geography and Ecology


Abstract:
Das Entlebuch gilt als eine strukturschwache und wirtschaftlich benachteiligte Randregion, die aufgrund von Topographie und Klima suboptimale Standorteigenschaften für die Landwirtschaft aufweist. Seit der Moorschutzinitiative von 1989 sind grosse Teile des Entlebuchs gesetzlich geschützt oder nur noch beschränkt landwirtschaftlich bewirtschaftbar, was anfänglich zu grossen Konflikten bezüglich der landwirtschaftlichen Nutzung führte. Heute hat man im Entlebuch die einstige Konfliktbasis Landschaftsschutz als Chance erkannt, weshalb die Region im Herbst 2001 – als erste der Schweiz – in das Weltnetz der 400 UNESCO Biosphärenreservate aufgenommen wurde. Mit diesem Projekt macht sich das Entlebuch die angesprochenen Standortnachteile zu seinen Vorteilen.

Unter den Instrumenten, die in ländlichen Regionen im Zusammenhang mit Schutzbestrebungen der Natur- und Kulturlandschaft, der Überwindung des Strukturwandels sowie zur Stärkung des regionalen Kreislaufes zur Anwendung kommen, kann das Konzept der UNESCO-Biosphärenreservate als das Integralste bewertet werden. Ursprüngliches Ziel ist nicht die regionale Entwicklung, sondern in erster Linie die Biodiversitätserhaltung in anthropogen genutzten Natur- und Kulturlandschaften unter Einbezug der menschlichen Tätigkeiten. Dabei wird das Gebiet in drei Zonen unterteilt, die sich im abgestuften Schutz- resp. Nutzungsgrad unterscheiden: Kernzone (Totalschutz sowie Schutz durch Nutzung), Pflegezone (standortangepasste, extensive Nutzung sowie Erholungsfunktion) und Entwicklungszone (Verpflichtung gegenüber der nachhaltigen Nutzung). Dieses Konzept steht im Gegensatz zur klassischen Ausweisung von Naturschutzgebieten unter Ausklammerung jeglicher menschlichen Nutzung.

Hauptsächliches Ziel der vorliegenden Arbeit ist die kritische Auseinandersetzung mit diesem relativ neuen Schutzkonzept. Empirische Basis bilden vierzehn Gespräche – nach der Methodik der qualitativen Sozialforschung – mit Personen aus drei Akteurkategorien (lokale nicht-institutionelle, lokale institutionelle sowie externe institutionelle Akteure). Anhand des handlungstheoretischen Ansatzes werden die daraus resultierenden internen und externen Sichtweisen in Bezug auf Handlungen und Handlungsgründe, Bewertungen und Visionen in der (Kultur)Landschaft des
Biosphärenreservats Entlebuch aufgezeigt.
Aufgrund der überaus starken landwirtschaftlichen Ausrichtung des Entlebuchs und meiner Entscheidung, in der Kategorie der lokalen nicht-institutionellen Akteure ausschliesslich Gespräche mit Personen zu führen, die innerhalb des Perimeters der Pflegezone leben, erhielt die Arbeit einen stark landwirtschaftlichen Fokus. Die seit den neunziger Jahren im Umbruch stehende Agrarpolitik, die damit verbundene Unsicherheit und der Moorschutz sind demnach die Hauptthemen, die von den lokalen Akteuren angesprochen wurden. Die Auswertung gliedert sich in drei Teile, welche die Sicht der Akteure bezüglich des Raumes und dessen Nutzungsbedingungen, des Biosphärenreservats und der nutzungsrelevanten Gesetze aufzeigen und dabei die daraus entstehenden Möglichkeiten für die Bevölkerung, die Region und für die Ausweisung von Biosphärenreservaten erläutern.

In der Region Entlebuch wird die Trockenlegung der Moore als eine der stärksten Veränderungen des Naturraumes erwähnt. Daneben wurde laut den lokalen Akteuren aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten schon immer eine relativ extensive Landwirtschaft betrieben. Dies konnte seit der Ausweisung ökologischer Ausgleichsflächen infolge der Agrarpolitik 2002 noch verstärkt werden, da sich die Artenvielfalt an einigen Standorten verbessert zu haben scheint. Diese Beobachtung und weitere Aussagen von sowohl lokalen als auch institutionellen Akteuren lässt darauf schliessen, dass im Entlebuch die Bereitschaft zu einer weiteren Extensivierung vorhanden ist. Ob hierfür die Überzeugung für eine
nachhaltige Wirtschaftsweise oder nur die finanziellen Anreize handlungsleitend sind, wird aus den empirischen Resultaten nicht klar.
Die sich verändernde Agrarpolitik und die damit verbundene Anreizstrategie für ökologische Ausgleichsflächen sowie die Verträge des Amtes für Natur- und Landschaftsschutz mit den einzelnen Landwirten auf Moorflächen können laut den Akteuren die Ziele des Biosphärenreservats hinsichtlich der Erhaltung der Biodiversität und Artenvielfalt unterstützen und die Bewirtschaftung der Flächen weitgehend sichern. Diese Resultate zeigen, dass in der Schweiz – im Gegensatz zu
Biosphärenreservaten in Deutschland – nicht alleine aufgrund der Ausscheidung eines Biosphärenreservats Handlungsveränderungen in Richtung extensivere Nutzung herbeigeführt werden können, sondern nur in Kombination mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen auf nationaler und kantonaler Ebene. Ein Biosphärenreservat resp. das Regionalmanagement kann die Veränderungen und die damit verbundenen Lernprozesse unterstützen und zu leiten versuchen sowie daraus entstehende Strategielinien allenfalls koordinieren. Von den sowohl lokalen als auch
institutionellen Akteuren wird das Regionalmanagement als sehr wichtiges Instrument bei der Bildung eines intermediären Handlungsfeldes zwischen beispielsweise Kanton oder Bund sowie den einzelnen Gemeinden oder Interessengruppen eingeschätzt. Während in den deutschen Biosphärenreservaten die Partizipation noch einen relativ kleinen Stellenwert einnahm, wird im Entlebuch grosses Gewicht auf den Einbezug der Bevölkerung gelegt. Hierfür bedarf es laut den Akteuren eine bevölkerungsnahe Kommunikation und eine breit angelegte Informationspolitik. Seitens der institutionellen Akteure wird festgestellt, dass gerade von wenig-innovativen Bevölkerungsgruppen eine starke Erwartungshaltung auf das Regionalmanagement einwirkt.

Ein wichtiger Aspekt stellt die Frage dar, inwiefern sich Biosphärenreservate für eine nachhaltige Regionalentwicklung eignen, und welches dabei die Ansprüche der verschiedenen Akteurkategorien sind. Im Entlebuch ist man sich grösstenteils einig, dass mit dem Biosphärenreservat eine regionale Entwicklung von 'Innen' initiiert und gestärkt werden kann, die wiederum durch die Instrumente der Agrar- und Regionalentwicklungspolitik unterstützt wird. Chancen werden im Entlebuch vor allem in der Kombination von Schutz und Pflege der Natur- und Kulturlandschaften sowie der gleichzeitigen Förderung einer nachhaltigen Regionalentwicklung gesehen. Dabei sollen Regionale Produkte und der sanfte Tourismus eine besondere Rolle einnehmen und mithelfen den regionalen Wirtschaftskreislauf zu stärken.
Mit dem Biosphärenreservat wird durch Regio Plus der Regionalentwicklungspolitik des Bundes ein modellhaftes Projekt unterstützt, das auf andere Regionen eine positive 'Nachahmungswirkung' haben könnte. Im Alpenraum bestehen bereits diverse ähnliche regionale Initiativen für eine Verbindung von ökologischen und ökonomischen Anliegen. Biosphärenreservate können dabei einerseits Planungsgrundlage sein und andererseits ein Instrument der vermehrt anzustrebenden integralen Biodiversitätspolitik.

Publications:
Schüpbach, Ursula (2002): Ein Lebensraum im Spannungsfeld von Schutzgedanke und Nutzung. Sichtweisen lokaler und institutioneller Akteure im Biosphärenreservat Entlebuch. Diplomarbeit, Geographisches Institut der Universität Bern.

PDF Diplomarbeit


Last update: 1/25/18
Source of data: ProClim- Research InfoSystem (1993-2024)
Update the data of project: CH-2207

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