Egli Hans-Rudolf

Infrastruktureinrichtungen und Versorgung im ländlichen Raum. Am Beispiel der Region Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn

Project Number: CH-3443
Project Type: Master
Project Duration: 05/01/2005 - 10/31/2006 project completed
Funding Source: other ,
Leading Institution: Universität Bern, Geographisches Institut
Project Leader: Prof. em. Hans-Rudolf Egli
Feld 34
3045 Meikirch
Phone: +41 (0) 31 829 23 13 ; +41 (0) 31 631 88 62
FAX: +41 (0) 31 631 85 11
e-Mail: hans-rudolf.egli(at)bluewin.ch
http://www.geography.unibe.ch

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Research Areas:
Living Space

Disciplines:
Legal and Social sciences, Economics
Social geography and Ecology

Keywords:
Grundversorgung, Post, öffentlicher Verkehr, Schule, Detailhandel, ländliche Regionen

Abstract:
Problemstellung und Zielsetzung
In den letzten Jahren wurde in der Schweiz vor allem von der Bevölkerung in peripheren, ländlichen Gebieten ein Abbau der Grundversorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, des so genannten Service Public, befürchtet. Mit der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, wie gut der ländliche Raum mit Grundversorgungseinrichtungen heute noch ausgestattet ist und wie sie sich im Laufe der letzten 50 Jahre entwickelt haben.
Mit den vier untersuchten Versorgungsbereichen Post, öffentlicher Verkehr, Schule und (Lebensmittel-) Detailhandel wurden Institutionen mit hohem Aktualitätsbezug und unterschiedlicher Zuständigkeitsebene (Bund, Kanton, Gemeinde, Private) ausgewählt.
Die Untersuchung wurde im UNESCO Weltnaturerbegebiet Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn als Ergänzung des 2005 erarbeiteten Managementplanes durchgeführt. Der Perimeter erstreckt sich über die beiden Kantone Bern (18 Gemeinden) und Wallis (acht Gemeinden). Wichtigstes Ziel dieser Arbeit ist das Aufzeigen der Zusammenhänge zwischen der Veränderung der demografischen und wirtschaftlichen Struktur einerseits und des Versorgungsangebotes bzw. dessen Erreichbarkeit in den Gemeinden und Siedlungen des Untersuchungsgebiets andererseits. Daneben sollen allfällige Unterschiede im Versorgungsangebot zwischen den beiden Kantonen Bern und Wallis festgestellt werden, wobei angenommen wurde, dass die unterschiedliche Siedlungsstruktur und die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen relevant sein könnten. Weiter sollen die Einflüsse des Tourismus und der Regionalpolitik des Bundes auf die Versorgungssituation im ländlichen Raum untersucht werden.


Methoden und Durchführung
Um die Entwicklung der Gemeinden und Siedlungen im Untersuchungsgebiet abzubilden, wurden je nach demografischer und wirtschaftlicher Entwicklung Wachstums-, Wandlungs-, Stagnations- und Rückbildungssiedlungen bzw. -gemeinden gebildet. Die Daten stammen hauptsächlich aus den alle zehn Jahre stattfindenden eidgenössischen Volkszählungen. Für 1990 und 2000 standen die Daten hektarweise zur Verfügung.
Für das Bestimmen des Versorgungsangebotes der vergangenen 50 Jahre wurden für jeden der betrachteten Versorgungsbereiche die folgenden Merkmale untersucht:
Öffentlicher Verkehr: Anzahl angebotener Verbindungen aus einer Siedlung in das nächstgelegene höhere Zentrum und notwendiger Zeitbedarf für eine Fahrt dorthin.
Detailhandel und Post: Qualität des Angebots der nächstgelegenen Versorgungseinrichtung und zeitliche Distanz zwischen einer Siedlung und dieser Versorgungseinrichtung.
Schule: Primär wurde die Distanz beurteilt; für jede Stufe wurde untersucht, welche Schulhäuser aus den Siedlungen zu Fuss oder unter Verwendung eines bestimmten Transportmittels erreicht werden können.
Die Versorgungsbetriebe wurden für 1950, 1960, 1970, 1980, 1990, 2000/2005 mit Verzeichnissen, Publikationen und mündlichen Auskünften erhoben. Zur Beurteilung der Lebensmittelversorgung wurden 46 Ladenbesitzer schrifltich befragt. (Die Rücklaufquote war mit 78 Prozent sehr hoch und somit für das Untersuchungsgebiet repräsentativ.)
Die Daten zu den Schulstandorten wurden hauptsächlich von den Gemeindeschreibern zur Verfügung gestellt.


Ergebnisse
Im öffentlichen Verkehr (ÖV) wurde bis vor wenigen Jahren das Angebot kontinuierlich ausgebaut. 2005 waren 90.3 Prozent der Bevölkerung mit dem ÖV erschlossen, für zwei Drittel der Einwohner (66.1%) ist die Erschliessungsqualität sogar gut oder sehr gut. Von einer hohen Erschliessungsqualität profitiert vor allem die Bevölkerung in den grösseren Siedlungen, in den Siedlungen mit weniger als 100 Einwohnern verfügen jedoch über 40 Prozent der Bevölkerung über keine ÖV-Erschliessung. Das sind aber insgesamt nur 229 der 17'000 Einwohner und Einwohnerinnen der Region.
Es muss jedoch damit gerechnet werden, dass infolge der angekündigten Sparmassnahmen der öffentlichen Hand in Zukunft für den ÖV in peripheren Gebieten weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden. Mit innovativen Lösungen könnten Angebote zum Teil billiger bereitgestellt, der Standard der Versorgung aber trotzdem weitgehend gehalten werden. Damit bliebe die Mobilität der Einwohner, die nicht über ein Auto verfügen, gewährleistet.
Im Detailhandel findet seit den 1970er Jahren ein sukzessiver Rückgang der Ladendichte statt. In den Walliser Gemeinden setzte der Rückgang erst in den 1990er Jahren ein. Die Qualität der Versorgung kann insgesamt noch als gut bezeichnet werden: 90% der Bevölkerung hat die Lebensmittelversorgung vor Ort oder kann sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen, 83% sind sogar gut versorgt. Ein Grossteil der befragten Ladenbesitzer stellte fest, dass die Konsumenten vermehrt grosse Einkaufszentren bevorzugen und die Unterstützungsbereitschaft für den Dorfladen abnimmt. Die peripher gelegenen Siedlungen, welche heute noch über einen (letzten) Dorfladen verfügen, sind am stärksten gefährdet. Insbesondere im Wallis könnte sich die Versorgungssituation verschlechtern, da in 13 Siedlungen mit über 100 Einwohnern nur noch je ein Laden vorhanden ist. In den sechs Walliser Gemeinden, in denen die Läden finanziell unterstützt werden, dürfte sich die Versorgungssituation nicht massiv verschlechtern. In den Berner Gemeinden, wo der Strukturwandel bereits weiter fortgeschritten ist, wurde eine zunehmende Abhängigkeit vom Tourismus festgestellt.
Bei der Post wurde innert kurzer Zeit das Filialnetz stark ausgedünnt. Die Abnahme der Anzahl Poststellen im Untersuchungsgebiet von 41 (1990) auf 26 (2005) führte jedoch nur ausnahmsweise zu einer deutlichen Verschlechterung der Versorgungsqualität. 94 Prozent der Bevölkerung sind immer noch mit Postdienstleistungen erschlossen, 76% der Bevölkerung sogar gut. Die postalische Ersatzlösung des Haus-Services ist für den peripheren ländlichen Raum zwar geeignet, bedeutet aber trotzdem einen Qualitätsverlust. Die Zusammenarbeit der Post mit anderen Anbietern der Grundversorgung (z.B. Lebensmittelläden) ist eine sinnvolle Alternative zur Poststelle und kann sogar zu einer Verbesserung des Versorgungsangebotes führen. Bei den befragten Detaillisten war allerdings nur eine geringe Bereitschaft zur Erbringung von Postdienstleistungen im Laden festzustellen. Der Abbau der Poststellen ist weitgehend abgeschlossen, womit sich in Zukunft bezüglich der Erschliessung kaum eine weitere Verschlechterung abzeichnet.
Im gesamten Untersuchungsgebiet ist es einem grossen Teil der Schüler möglich, selbständig zur Schule zu gelangen. Im Wallis und in Bern werden die Primarschüler sehr dezentral unterrichtet. Rund 90 Prozent der Primarschüler und 72% (Berner Gemeinden) bzw. 82 % (Walliser Gemeinden) der Sekundarschüler können ihren Ausbildungsort zu Fuss erreichen.
Es wurde klar festgestellt, dass eine Betrachtung auf Gemeindeebene nicht geeignet ist, um die Entwicklung der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs nachvollziehen zu können. Erst auf der Ebene der einzelnen Siedlung (Dorf, Weiler, Einzelhof) kann auch der Zusammenhang zwischen demografischer und wirtschaftlicher Entwicklung und dem Vorhandensein einer Versorgungsinfrastruktur untersucht werden.
Die Siedlungen mit überdurchschnittlichem Bevölkerungswachstum weisen in der Regel eine gute bis sehr gute Versorgung auf. Auch in den grösseren Siedlungen mit Bevölkerungsrückgang ist die Versorgungsqualität immer noch gut. Die Zahl der Läden nahm dort aber stärker ab als in den Wachstumssiedlungen, was sich darauf zurückführen lässt, dass private Anbieter als erste auf den Bevölkerungsrückgang reagieren. Möglicherweise wird in den öffentlichen und staatlich regulierten Versorgungsbereichen in Zukunft ebenfalls vermehrt auf diesen Bevölkerungsrückgang reagiert und Infrastruktur abgebaut.
Die meisten Siedlungen mit einem hohen Wegpendleranteil unter den Erwerbstätigen weisen pro Einwohner ein unterdurchschnittliches Versorgungsangebot auf. Viele Einwohner versorgen sich offenbar am Arbeitsort und nicht am Wohnort. Auch das ÖV-Angebot weist in diesen Siedlungen bloss eine durchschnittliche Qualität auf, obwohl viele Wegpendler für den Arbeitsweg auf ein Verkehrsmittel angewiesen sind, in den meisten Fällen jedoch das Auto verwenden.
Die touristisch geprägten Siedlungen verfügen in der Regel über ein gutes Versorgungsangebot, selbst wenn sie nur wenige Einwohner aufweisen. Der Tourismus generiert in diesen Siedlungen eine zusätzliche Nachfrage, womit die nötige Kundenfrequenz für den Betrieb der Einrichtungen erreicht werden kann. Viele der dortigen Ladenbesitzer verfügen nebst dem Laden über zusätzliche Einnahmequellen, indem sie beispielsweise Hotels mit Frischwaren oder Getränken beliefern.


Schlussfolgerung
Die Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Versorgungslage der peripheren Siedlungen bis 1990 verbessert hat und in den letzten 15 Jahren stagnierte oder leicht schlechter geworden ist. Die grossen Zentren konnten ihre Attraktivität weiter steigern, indem die Versorgungsinfrastruktur ausgebaut wurde. Damit öffnete sich die Schere zwischen der (meist) befriedigend gebliebenen Versorgung in der Peripherie und der sehr guten Versorgung in den Zentren, die weiter ausgebaut wurde. Es ist anzunehmen, dass die Versorgungssituation in der Peripherie bereits heute als eher ungenügend empfunden wird, weil sich die Differenz zwischen der Versorgung der Zentren und der Peripherie vergrössert hat, und nicht weil sich die Versorgung in der Peripherie absolut verschlechtert hat.



Publications:
Färber Räto & Stettler David. 2006. Infrastruktureinrichtungen und Versorgung im ländlichen Raum. Am Beispiel der Region Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn. Diplomarbeit, Geographisches Institut, Universität Bern.
Swissbib Info


Last update: 8/11/22
Source of data: ProClim- Research InfoSystem (1993-2024)
Update the data of project: CH-3443

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