Mesmer Beatrix

Die Walliser Adelsfamilie von Werra : zwischen Ancien Régime und Moderne

Project Number: CH-4395
Project Type: Dissertation
Project Duration: 04/25/1995 - 06/01/1998 project completed
Funding Source: other ,
Project Leader: Prof. Beatrix Mesmer
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Research Areas:
Living Space

Disciplines:
History
Swiss history

Keywords:
Von Werra, 19./20. Jahrhundert, Baronsfamilie, Leuk, Franz und Emma-Charlotte

Abstract:
Wer im historischen Walliser Kleinstädtchen Leuk und seiner Umgebung aufwächst, kommt fast zwangläufig irgendwann mit dem Namen von Werra in Berührung. Dies obwohl der Name heute in der Gemeinde nur noch selten ist. Mir ging es da wie vielen anderen Bewohnern der Region auch: Als Sekundarschüler war mir Ende der siebziger Jahre ein Gerücht zu Ohren gekommen, das sich in Leuk über mehrere Generationen überliefert hat. Man erzählt sich bis heute, dass der letzte Baron von Werra, der einst im „Schloss“ wohnte und als Besitzer grossräumiger Ländereien als der mächtigste Mann der Region galt, nach seiner Verarmung zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwei seiner Kinder, Emma-Charlotte und Franz, nach Deutschland „verkauft“ hat. Als ich mich in Leuk nach dem Schicksal dieser beiden Kinder erkundigte, kamen alle Leute, die ich befragte, immer sehr schnell auf das abenteuerliche Leben des Franz von Werra zu sprechen. Ein Fliegerheld bei den Nazis sei er geworden, sagte man mir, ein sehr berühmter Mann, der sogar persönliche Beziehungen zu Adolf Hitler unterhalten habe. Einige wiesen auf ein Buch und einen Film hin, in dem die Geschichte des Franz von Werra erzählt wird. Aus Rücksicht auf Emma-Charlotte von Werra, die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz zurückgekehrt war und ihren Lebensabend in ihrem Heimatstädtchen Leuk verbrachte, sprachen die Leute aber nur sehr zurückhaltend und oft unter vorgehaltener Hand über die „verkauften“ Kinder.

Ich erinnere mich gut, wie ich mich damals mit der Frage zu beschäftigen begann, wie es möglich sein konnte, dass ein Vater seine eigenen Kinder verkauft. Einerseits war ich, der fünfzehnjährige Schüler, entrüstet über diesen Vater und andererseits begann ich mich für diese Geschichte und vor allem für das abenteuerliche Leben des Franz von Werra zu interessieren.

In den Jahren 1990-92 unterrichtete ich in meiner Heimatgemeinde Leuk-Susten auf der Sekundarstufe und wohnte in einem Haus, das ganz in der Nähe von Emma-Charlotte von Werras Wohnung lag. Zu dieser Zeit begegnete ich der achtzigjährigen Frau von Werra häufig in den alten Gassen von Leuk. Bei diesen zufälligen Treffen erinnerte ich mich oft an die Gerüchte um ihr Schicksal, die mich nie ganz losgelassen hatten. Im Herbst 1991 begann ich, mich bei den älteren Leuten in Leuk nach dem Leben der Baronsfamilie von Werra zu erkundigen.

Das Ergebnis dieser ersten Recherchen war, dass ich mir vornahm, die Lebensgeschichte von Franz und Emma-Charlotte von Werra systematisch aufzuarbeiten. Sehr schnell wurden meine Nachforschungen dabei zu einer Art kriminalistischer Recherche über den Fall der Familie von Werra.

Leading questions:
Der erste Teil befasst sich kursorisch mit dem Aufstieg der Leuker Baronsfamilie von Werra zu Beginn des 19. Jahrhunderts und geht auf ihre vollständige Verarmung und den damit verbundenen gesellschaftlichen Abstieg zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein. Mit der Aufarbeitung dieses Niedergangs – der Voraussetzung des „Kinderverkaufs“ – wird ein bis heute verschleiertes und tabuisiertes Kapitel der Walliser Geschichte erstmals aufgearbeitet.

Das zweite Teil rekonstruiert die Umstände der Adoption von Franz und Emma-Charlotte von Werra und verfolgt ihre Lebensspuren bis ins Jahr 1933. Auf das Milieu der „neuen“ Eltern wird dabei genauso eingegangen wie auf die Kindheitsjahre und Sozialisationsbedingungen von Emma-Charlotte und Franz. Am Schluss dieses zweiten Teils steht der Zusammenbruch der Familie Carl-von Haber.

Der dritte Teil – er umfasst die Jahre 1933-1941/1992 – konzentriert sich auf das weitere Schicksal von Emma-Charlotte und Franz von Werra. Im Zentrum steht dabei die Darstellung der unterschiedlichen Reaktionsstrategien der Geschwister auf den neuerlichen Zerfall ihres Milieus. In ihrer Neuorientierung spielt einerseits der Nationalsozialismus und andererseits der Katholizismus eine wichtige Rolle.

Publications:
Meichtry, Wilfried. 1998. Zwischen Ancien Régime und Moderne: die Walliser Adelsfamilie von Werra. Dissertation, Universität Bern.


Last update: 12/29/16
Source of data: ProClim- Research InfoSystem (1993-2024)
Update the data of project: CH-4395

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