Altermatt Urs

Baden, Trinken, Schmausen und Gesunden. Eine kultur-historische Studie zum Fremdenverkehr im Entlebuch von 1840 bis in die 1930er Jahre

Project Number: CH-4673
Project Type: Master
Project Duration: 01/01/2011 - 12/31/2011 project completed
Funding Source: other ,
Leading Institution: Universität Fribourg
Project Leader: Prof. Urs Altermatt

Phone: +41 (0) 26 300 79 35

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Research Areas:
Living Space

Disciplines:
History

Keywords:
Tourismus, Fremdenverkehr, Geschichte

Abstract:
Heute versucht sich die Voralpen-Region Entlebuch als UNESCO-anerkannte Modellregion zu vermarkten, die in ihren Grundsätzen auf nachhaltige Entwicklung und naturnahen Tourismus setzt. Nicht erst in der letzten Dekade – das UNESCO-Label wurde dem Entlebuch 2002 verliehen – waren Exponenten der Region bestrebt, Wertschöpfung durch fremde Gäste zu erzielen. In den Anfängen des Tourismus im Entlebuch Mitte des 19. Jahrhunderts und zur Zeit der darauf folgenden Belle Epoque beheimatete auch das Tal zwischen Luzern und Bern verschiedene Kurbetriebe, wie sie in der Schweiz zahlreich anzutreffen waren. Die Studie zeigt auf, welche Schwerpunkte im Bereich des Tourismus damals gesetzt wurden und welche Personen in Zeiten der um sich greifenden Reiselust ein Interesse daran hatten, einen Teil ihrer Reise oder gar einen längeren Aufenthalt in diesem ländlichen und aufgrund der Verkehrsbedingungen schlechter erreichbaren Gebiet zu verbringen, wo doch die grossen Fremdenverkehrszentren der Schweiz mit ihren vielfältigen Angeboten lockten und mit Luzern und dem Vierwaldstättersee eines davon in – zumindest beim Betrachten der Luftlinie – nicht allzu grosser Entfernung lag. Um die Forschungsresultate zum behandelten Gebiet einordnen zu können, beschäftigt sich die Arbeit zunächst mit dem Tourismus in der Schweiz und in Europa zur Untersuchungszeit. Dabei wird ein spezielles Augenmerk auf den Kur- und Badetourismus gelegt, weil dieser auch im Entlebuch der Belle Epoque sehr wichtig war. In einem zweiten Teil wird das Untersuchungsgebiet vorgestellt. Es wird geographisch eingeordnet und wirtschaftliche Voraussetzungen werden erläutert. Dabei spielt auch die Erreichbarkeit durch Strassen und öffentlichen Verkehr eine Rolle sowie natürlich die Gasthäuser und Kurbetriebe, die die anreisenden Gäste aufnehmen konnten. Der dritte Teil widmet sich dann den Beziehungen zur bekannten Tourismusregion Zentralschweiz. Dabei stellt sich heraus, dass das Entlebuch Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem eine Durchreisestation zwischen Berner Oberland und Luzern war. Bis zur Eröffnung der Brünigstrasse 1861 nutzte ein Grossteil der Reisenden die Route durch das Entlebuch. Mit neuen Verkehrswegen und der sich etablierenden Eisenbahn veränderte sich aber auch der Reiseverkehr im Entlebuch. Durchreisende wurden seltener, der Kurtourismus nahm zu und gipfelte in seiner Blütezeit, der Belle Epoque. Durch diesen Wandel ergab sich auch eine Änderung in der Zusammensetzung der Gästeschar: Waren es Mitte 19. Jahrhundert vor allem ausländische Gäste – und unter jenen vor allem die reiselustigen Briten – kamen für die Kuren vorwiegend Schweizer in die Region. Unter den Gästen befanden sich auch einige berühmte Persönlichkeiten. So verbrachte Lenin den Sommer 1915 im Dörfchen Sörenberg, damit sich seine Frau von der Basedowschen Krankheit erholen konnte. Er arbeitete sehr viel, wanderte aber auch ausgiebig in den Entlebucher Bergen. Erwähnenswert ist weiter ein Kur-Aufenthalt von C.G. Jung in seinen Jugendjahren in Entlebuch. Sowohl diese berühmten Persönlichkeiten wie auch weniger bekannte Schriftsteller und Literaten hinterliessen in ihren Werken Eindrücke und Erlebnisse ihrer Zeit im Entlebuch. Dabei wird vor allem immer wieder das Ländliche der Region betont. Es wird klar, dass sich immer mehr Leute einen Ausgleich zum hektischen Leben in der Stadt suchten. Allerdings ist nicht immer ganz deutlich, ob man das Ländliche wirklich so angetroffen hat, oder aber ob es auch ein Stück weit in die Region hinein projiziert worden ist, beeinflussen doch gerade auch Reisende das von ihnen besuchte Gebiet und nehmen ihm dabei einen Teil seiner Authentizität. Während ihrer Kuraufenthalte beschäftigten sich die Gäste einerseits mit ihren Bade- und Trinkkuren, unternahmen ausgedehnte Wanderungen in der Umgebung oder vergnügten sich bei geselligen Abenden. Nicht zu kurz kamen auch die kulinarischen Genüsse, die ebenfalls ihren Platz finden in der vorliegenden Studie. Die untersuchten Quellen lassen auf ein fröhliches Miteinander und genussvolles Leben während der Kur schliessen. Eine Parallele zum heutigen Wellness- Tourismus lässt sich nicht absprechen. Der letzte Teil der Arbeit beschäftigt sich schliesslich damit, wie sich die Kuranstalten selber präsentierten. Weil es in der Schweiz zahlreiche konkurrierende Kurorte gab, musste man für sich etwas Eigentümliches finden. Die beiden grössten Entlebucher Kuranstalten rühmten sich zum Beispiel mit einer trotz der relativ hohen Lage guten Erreichbarkeit oder einer speziell guten Schwefelquelle. Weitere vorgebrachte Pluspunkte waren die gute Luft, die beeindruckende Aussicht oder die frische Milch, die selber verarbeitet wurde. Mit genau diesen Elementen versuchte man, die gewünschte Ruralität darzustellen und der städtischen Bevölkerung das zu bieten, was sie suchte: Eine Oase der Ruhe und der Erholung. Mit dem Ersten Weltkrieg setzte schliesslich der schleichende Untergang für die Entlebucher Kurbetriebe ein. Schlechte Besucherfrequenzen und Brände, die die grössten Etablissements zerstörten, verunmöglichten ein Aufrechterhalten des Kurbetriebes. Man verlagerte den Schwerpunkt immer mehr in Richtung Winterangebot und vergass den Sommertourismus über lange Zeit. Erst mit der Etablierung der Biosphäre an der Schwelle zum 21. Jahrhundert bekam auch der Sommer aus touristischer Sicht wieder mehr Gewicht – aber die Erforschung dieser Entwicklung bedürfte einer neuen Studie.

URL: http://www.biosphaere.ch/files/?id=45417

Publications:
DAENGELI Susanne, 2011: Baden, Trinken, Schmausen und Gesunden. Eine kultur-historische Studie zum Fremdenverkehr im Entlebuch von 1840 bis in die 1930er Jahre. Universität Freiburg.

DAENGELI Susanne, 2011: Baden, Trinken, Schmausen und Gesunden: Fremdenverkehr im Entlebuch 1840-1935. Academic Press Fribourg, 160 S.

PDF Masterarbeit


Last update: 1/19/18
Source of data: ProClim- Research InfoSystem (1993-2024)
Update the data of project: CH-4673

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