Schlüchter Christian

Die neuen Seen: Gletscherseen und deren Ausbrüche am Gruebengletscher (Berner Oberland) in ihrem geologischen Kontext

Project Number: CH-4707
Project Type: Master
Project Duration: 07/01/2011 - 04/30/2012 project completed
Funding Source: other ,
Project Leader: Prof. em. Christian Schlüchter
Bahngässli 17
3053 Münchenbuchsee
Phone: +41 (0) 31 869 40 60 ; +41 (0) 79 483 63 17
e-Mail: schluechter(at)geo.unibe.ch
http://www.geo.unibe.ch/

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Keywords:
Erdwissenschaften

Abstract:
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bildete sich an der linksufrigen Seite des Gruebengletschers, im Haslital, Berner Oberland, ein See. Das Schmelzwasser eines abschmelzenden Nebengletschers staute sich an der fast 30 m hohen Eiswand, des Gruebengletschers. Der See wurde kaum zur Kenntnis genommen, bis er am 4. Oktober 1921 ausbrach. Der dadurch verursachte Murgang zerstörte die zirka 3 km flussabwärts liegende Aerlenalp und die dort vorhandenen Alphütten. Im Haupttal (Haslital) wurde die Passstrasse beschädigt und die Flut konnte bis nach Innertkirchen (ca. 15 km flussabwärts) beobachtet werden. Von 1923-1941 leerte und füllte sich der nun überwachte See mehrmals, ohne einen Murgang auszulösen. 1942 brach der See erneut aus. Danach wurde ein Stollen gebaut, um das zufliessende Schmelzwasser zu regulieren. Heute sind in die Spuren, die der Gletscherseeausbruch hinterlassen hat, noch immer in der Landschaft sichtbar. Die überführte Alp wurde nicht von den Gesteinsmassen befreit und wird nicht mehr genutzt. Ausbrüche von eisgestauten Seen haben in den Schweizer Alpen schon vermehrt zu Schäden an Infrastruktur und zu Todesfällen geführt (Haeberli 1983). Mit dieser Masterarbeit wird versucht, den Ablauf der Ausbrüche am Gruebengletscher möglichst genau zu rekonstruieren. Es geht darum herauszufinden, was zum Ausbruch geführt hat und welche Spuren ein Ausbruch im Feld hinterlässt, aber auch darum, die abgelaufenen Prozesse besser zu verstehen. Vom ganzen Gebiet, dem Gruebenkessel, wurde eine glaziogeologische Karte im Massstab 1: 10‘000 angefertigt. Dafür wurden neben der Feldbegehung auch Orthofotos und ein digitales Höhenmodell als Hilfsmittel herbeigezogen. Diese Karte zeigt den heutigen Stand der Landschaft und Gletscher. Daraus wird der Verlauf der Gletscherseeausbrüche sichtbar. Die dabei entstandenen Ablagerungen und Erosionsformen werden in der Arbeit beschrieben. Aufgrund von rekonstruierten Seevolumina, erodierten Gerinne Querschnitten und Blockgrössen, kann der maximale Abfluss und Fliessgeschwindigkeiten der Flut abgeschätzt werden. Die dafür verwendeten Formeln stammen von Costa (1983), Clague & Mathews (1973) und Manning (1891). Zusätzliche Informationen wurden aus historischen Berichten von Augenzeugen, Fachleuten und Medien entnommen. Der See von 1921 brach bei einem Volumen von über 2 Millionen Kubikmeter aus. 1942 lag das Volumen unter 1 Million Kubikmeter. Durch das Abschmelzen der Gletscher war die stauende Eiswand weniger mächtig als noch 1921. Dadurch konnte sich nicht die gleiche Menge Wasser stauen. Beide Ausbrüche erfolgten durch einen ins Eis eingeschmolzenen Tunnel mit einem Durchmesser von ca. 5 m. Die Flut trat an der Gletscherfront aus, wo sie über eine Klippe in die Tiefe stürzte. Das unterhalb dieses Felsriegels liegende Lockergestein wurde durch die beschleunigte Flut mitgerissen. Weiter flussabwärts wurde das Gerinne bis auf den Fels erodiert. Der dort gemessene erodierte Querschnitt, ergibt eine Fliessgeschwindigkeit von 16 m/s. Auf der Aerlenalp, wo grosse Mengen von Schutt abgelagert wurden, lassen sich durch die mittlere Achse (b-Achse) der grössten Blöcke von 2 bis 3 Meter, Fliessgeschwindigkeiten von 8 m/s berechnen. Von der Aerlenalp schoss der Murgang durch eine Schlucht hinunter zur Handegg und floss dort in die Aare. Das mitgeführte Material staute sich, so dass es vor den Handeggfällen zu einer Übermurung kam, wodurch die Passstrasse beschädigt und die umliegenden Brücken zerstört wurden.
Der Ausbruch von 1921 war das grössere Ereignis, als der Ausbruch von 1942. Dies ist schon aus der doppelt so grossen Menge an gestautem Wasser festzustellen. Das Ereignis von 1921 hat vor allem oberhalb und auf der Ärlenalp grosse Auswirkungen gehabt. Die Alp wurde mitsamt Hütten und Vieh zerstört. Das oberhalb der Alp liegende Gerinne wurde stark bis auf den Fels erodiert. Beim Ausbruch von 1942 waren die Schäden im Tal grösser. Trotz des geringeren Wasservolumens. Da die Alp schon mit Geröll bedeckt war wurde kaum noch Material abgelagert. Im Gegenteil, es wurde Geschiebe mobilisiert und erst bei der Handegg wieder abgelagert. Dass der Aerlenbach oberhalb der Handeggfälle an zwei Stellen ausbrach, deutet auch darauf hin, dass der Murgang von 1942 unterhalb der Ärlenalp mehr Geschiebe führte als noch 1921. Schliesslich baute der Kanton Bern 1945 einen Stollen, der das zufliessende Schmelzwasser ableitete. Der Stollen tat nur einige Jahre seinen Dienst. In den 60er Jahren war der Gruebengletscher soweit abgeschmolzen, dass er den See nicht mehr stauen konnte. Zwischen den 50er und 60er Jahren begann sich an einer neuen Stelle, vor dem Gruebengletscher, ein See zu bilden. Dieser staut sich nicht am Eis, sondern am davor liegenden Felsriegel. Der See existiert heute noch und wird beim Ausfluss in einen Stollen geleitet, durch den das Wasser in den Grimselsee fliesst. Der Grubengletschersee ist ein schönes Beispiel dazu, wie sich das Gefahrenpotenzial eines Gletschersees mit der Zeit stark verändern kann, durch die Veränderung des Gletschers, durch einen Ausbruch aber auch durch das Eingreifen des Menschen. Es zeigt auch, welche Einflüsse ein solcher See auf die Nutzung eines Gebietes haben kann. Von alpinen Weiden die aufgegeben werden zu einem zusätzlichen Energiepotential für die Wasserkraft. Die Masterarbeit wird auf Ende April fertiggestellt.
Quellenverzeichnis: Clague, J.J. & Mathews, W.H., 1973. The magnitude of Jökulhlaups. Journal of Glaciology, 12(66), pp.501-504. Costa, J.E., 1983. Paleohydraulic reconstruction of flash-flood peaks from boulder deposits in the Colorado Front Range. Geological Society Of America Bulletin, 94, pp.986-1004. Haeberli, W., 1983. Frequency and Characteristics of Glacier Floods in the Swiss Alps. Annals of Glaciology, 4, pp.85-90. Manning, R., 1891. On the flow of water in open channels and pipes: Transactions of the Institution of Civil Engineers of Ireland, v. 20, p. 161–207


Last update: 4/24/15
Source of data: ProClim- Research InfoSystem (1993-2024)
Update the data of project: CH-4707

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